Volkstrauertag 2011 – Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt
 
Lieber Leiberstunger Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren Vereinsvorsitzende!
Wie in den vergangenen Jahren auch, werden am Volkstrauertag Kirchen- und die politischen Gemeinden den Opfern von Krieg, Vertreibung und Repression gedenken. Hierzu darf ich auch Sie herzlich einladen.
 
Volkstrauertag, am Sonntag, 13.11.2011
 
Gemeinsam wollen wir, im Gedenken an die Opfer, beim Ehrendenkmal auf dem Friedhof einen Kranz niederlegen und in einer Gedenkminute verharren. Ehrenabordnungen der Leiberstunger Vereine unter Fahnenbegleitung, sowie eine kurze Ansprache, musikalisch umrahmt durch den Männergesangverein 1875 Leiberstung e.V., werden diesem Gedenken den entsprechenden Rahmen geben.
 
Beginn der Gedenkveranstaltung, welche wir bei jeder Witterung durchführen werden, ist um 11.00 Uhr auf dem Friedhof Leiberstung.
 
Naber
Ortsvorsteher

Ansprache zum Volkstrauertag 2011
von Ortsvorsteher Alexander Naber
 
Wenn wir uns heute wieder hier versammeln - wie seit Jahren an diesem Tag - dann tun wir dies gemeinsam mit vielen anderen Menschen in allen Teilen unseres Landes.
Wir tun dies, weil es der Kalender für diesen Tag heute so vorsieht.
oder
Wir tun dies, weil wir von offizieller Stelle eine Einladung hierzu bekommen haben.
oder aber
Wir tun dies, weil es guter Brauch ist, im November, dem Monat der Stillen Gedenktage, die Friedhöfe zu besuchen.
Wie schon oft in solchen Worten erwähnt, ist diese Gedenkveranstaltung für viele Menschen ein Pflichttermin - ein Pflichttermin aus unterschiedlichen Gründen.
Wer in politischer oder gesellschaftlicher Verantwortung steht, für den ist es eine grundsätzliche Verpflichtung an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.
Aber - ich frage, ist dies eine Pflicht, die lästig ist ?
Bei vielen solcher Veranstaltungen ist in den Worten zum Volkstrauertag oft nur ein Thema vorherrschend oder es wird stets die gleiche Geschichte erzählt. Oftmals folgt er immer dem gleichen Zeremoniell und nur allzu oft nehmen an solchen Veranstaltungen immer die gleichen Personen teil.
Menschen, die wie bereits erwähnt aufgrund ihres Amtes oder ihrer Stellung eine Verpflichtung hierzu haben auf der einen Seite.
Auf der anderen aber auch Menschen, die als Kinder oder Jugendliche noch die Schrecken und Nachwirkungen des letzten großen Krieges, der die ganze Welt in seinen mörderischen und zerstörerischen Strudel gezogen hat, miterlebt haben.
Gerade aber dies sind Umstände, welche dieses Gedenken am heutigen Tag für viele andere Menschen so schwierig machen oder am Ende gar Ablehnung hervorruft.
Viele wollen sich nicht oder nicht mehr mit dem Thema Krieg auseinandersetzen -
grundsätzlich; Andere beziehen das Thema Krieg immer nur auf die beiden letzten großen
Weltkriege von 1914 - 1918 und 1939 - 1945.
Wieder andere sind es leid, immer und immer wieder die Geschichten von Vertriebenen und Gefallenen, Ermordeten und Verwundeten zu hören.
Warum eigentlich ?
Weil es uns nicht mehr angeht?
Weil es uns nicht oder nicht mehr betrifft?
Weil man die Vergangenheit ruhen lassen soll und sich lieber dem Jetzt und der Zukunft widmen soll?
Oder aber weil man einfach zu faul geworden ist, sich mit der eigenen und der Geschichte Anderer, der ganzen Welt auseinanderzusetzen und sich an einem solchen Sonntag lieber mit anderen Dingen beschäftigt - nur nicht mit dem Zitat:
"alten Zeug von früher, das eh nur den Opa interessiert, weil der damals in Russland war!"
Alles Schnee von Gestern?
In seinem Geleitwort zum Volkstrauertag 2011 schreibt der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge eV, Reinhold Führer :
"Der Volkstrauertag darf sich nicht in der Rückschau und in der Tradition erschöpfen. Er ist ein sehr aktueller Gedenktag den wir brauchen. Er schützt vor dem Vergessen und Verdrängen. Er mahnt uns, aus den Schreckensbildern der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen!"
Ich teile die Ansicht Reinhold Führers, denn an das, an was uns dieser Tag erinnern will und soll, ist längst nicht einfach nur Vergangenheit aus der es lehren zu ziehen gilt. Nein, es ist seit einigen Jahren wieder aktueller und wichtiger denn je.
Denn auch 66 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges ist die Erinnerung an tote, verwundete oder verstümmelte Soldaten wach.
Warum ist das so ?
Nicht nur, weil wir mit solchen Gedenktagen daran erinnern wollen was eben vor über 70 Jahren geschah, sondern weil tote Soldaten - gefallen im Dienst, verwundet an Leib und Seele, wieder unseren Alltag beherrschen.
Und dies nicht nur im Fernsehen oder Büchern, in Berichten aus der Vergangenheit, in Berichten aus fernen Bürgerkriegen auf anderen Kontinenten, weit weg, sondern viel näher als man glauben mag oder gerne wahrhaben möchte.
In diesem Jahr jähren sich die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon in den Vereinigten Staaten zum 10. mal. Bereits 2001 war dieser Akt der Unmenschlichkeit Thema meiner Worte beim Gedenken zum Volkstrauertag.
"Doch schon 10 Jahre her?" - werden manche denken, oder aber
"Das ist doch schon 10 Jahre her, das interessiert doch nur noch die Amerikaner!"
kommentieren andere.
Denken wir doch mal 10 Jahre zurück - erinnern wir uns.
Mit kalter Berechnung und nicht nachvollziehbarem Hass und Verachtung für das Leben von Menschen - Frauen und Männern - töteten fanatische Terroristen, geblendet von religiösem Fanatismus, ideologischer Verblendung und ohne Skrupel tausende Menschen, nur um "ein Zeichen" zu setzen - und das alles im Namen ihres Gottes.
Religiöse und ideologische Fundamentalisten in verschiedenen Teilen dieser Erde bejubelten diese Tat - die übrige Welt hielt den Atem an.
Dieser 11. September 2001 war nicht nur ein Schicksalstag für die USA, sondern drohte zu einem schicksalhaften Tag für die gesamte zivilisierte Welt zu werden und einen Flächenbrand zu entfachen.
Wie bei jedem Anschlag, bei jeder Aggression, jeder Provokation die schlussendlich in der Geschichte unserer Welt zu einer kriegerischen Auseinandersetzung geführt hat, war und ist dieser 11. September 2001 der Beginn eines Krieges, der bis heute in der Welt schwelt - mal stärker, mal weniger stark in Erscheinung tritt, aber dennoch die ganze Welt beschäftigt, in Atem hält und viele Menschen, Politiker,
ganze Volksgruppen und Länder in Angst und Anspannung versetzt.
Diese Terroranschläge waren vergleichbar mit einer Kriegserklärung von verblendeten Fundamentalisten gegen den Rest der Welt - gegen einen "Feind", der ihre Ansichten oder Vorstellungen von der Welt, von Recht und Religion nicht teilt.
Die Religion wurde - wieder einmal - zum Ausrufen eines Krieges, eines "heiligen Krieges" missbraucht und diente zur Rechtfertigung von Mord und Zerstörung.
Kommt uns das nicht bekannt vor ?
Konsultieren wir doch einmal die Geschichtsbücher:
Vor Jahrhunderten waren es abendländische Christen die auf Kreuzzügen unterwegs waren, die Wilden und Heiden zu bekehren. Danach war es der Kampf der großen Religionen, der Muslime gegen die Christen, wieder einmal später waren es katholische Christen gegen Protestanten, der letzte große Glaubenskrieg richtete sich gegen die Juden.
Und aktuell ?
Wieder treten fundamentalistische Gotteskrieger den Kreuzzug gegen eine Welt voller "Ungläubiger" an.
Und - wieder sind wir mit dabei !
Die Terroranschläge, diese Kriegserklärung der Fundamentalisten gegen die westliche Welt vom 11. September zog eine enorme Mobilisierung nach sich - in den verschiedensten Teilen der Welt, auf unterschiedlichste Weise.
Die USA, in ihrem Innersten getroffen, tief in ihrem Herzen verwundet, initiierten sofort den Gegenschlag und nahmen den "Kampf gegen den internationalen Terrorismus" auf - den Kampf gegen die Feinde der demokratischen und der republikanischen Ordnung.
Aber nicht nur die USA. Die ganze Welt war auf einmal gefordert, wieder in den Krieg zu ziehen.
Für die Aggressoren war es der Auftakt, wieder in einen "heiligen Krieg" zu ziehen, für die Bedrohten galt es in einem Verteidigungskrieg einzutreten.
Einen Krieg, der die Verteidigung der Demokratisch und der Freiheit zum Ziel hatte.
Einen Krieg, der jedoch längst nicht mehr nur Verteidigung als primäres Ziel hat.
Die Anschläge in New York und Washington betrafen schlussendlich nicht nur die Amerikaner. Überall in Europa hallten die Einschläge der Flugzeuge in die Twin-Towers wie ein Donnerhall nach.
Angst breitete sich aus - was könnte als nächstes passieren, wen oder was würde es als nächstes treffen?
Welches Land ist das nächste Ziel, schließlich ist doch die gesamte westliche Welt eine große Zielscheibe.
Auf Flughäfen, Bahnhöfen und vielen anderen öffentlichen Orten herrschte höchste Alarmbereitschaft.
In Großstädten wurde das Aufgebot an Polizei erhöht, in manchen Ländern die Streitkräfte zur Sicherung der öffentlichen Plätze mobilisiert. Schwer bewaffnet und mit und voller Anspannung prägten sie das Bild in vielen Ländern, auch in unserem Land.
Und - da war auch wieder diese Stimmung, die schon so oft in der Geschichte nicht Gutes verheißen sollte - Angst, Vorbehalte - Misstrauen breitete sich aus.
Plötzlich sah man überall auf den Straßen wieder potentielle Feinde.
Muslime, Araber - plötzlich waren wieder Vorbehalte und Misstrauen gegen Angehörige anderer Nationalitäten und anderen Religionen an der Tagesordnung und schoben sich wie ein Keil in das gesellschaftliche Miteinander. Hautfarben, anders klingende Namen waren plötzlich wieder vermehrt ein Grund um misstrauisch zu werden.
Doch was bei uns und in Europa mit Misstrauen und vorbehalten begann, sollte sich alsbald auch als Eintrittskarte in kriegerische Handlungen erweisen.
Die USA als hauptsächlich angegriffenes und bedrohtes Volk, kündigten gleich nach den Anschlägen vom 11. September militärische Schritte an.
Was bedeutete dies ?
Nur ein weiterer Konflikt zwischen der Supermacht USA und einem Flecken im Nahen Osten ?
Nein, das nicht !
Denn durch die Ausrufung des Bündnisfalles - ein Mitgliedsland der NATO war schließlich im Sinne einer Militäraktion von einem feindlich gesinnten Staat angegriffen worden - war mit einem Schlag die nordatlantische Allianz in die Auseinandersetzung einbezogen.
Die USA erwarteten den Bündniszusammenhalt und Unterstützung in ihrem Krieg gegen den Terror.
Der Einmarsch in das vom Taliban-Regime geführte Land Afghanistan begann. Noch heute, 10 Jahre nach dem Beginn des Feldzuges der NATO-Partner unter amerikanischer Führung herrscht Kriegszustand.
Und - deutsche Soldaten sind mit dabei.
Zwar nicht im Angriffskrieg von Beginn an involviert, aber seit Dezember 2001 als Sicherheits- und Aufbaukräfte im Rahmen der NATO - Mission "ISAF". "International Security Assistance Force" -
"internationale Sicherheitsunterstützungstruppe".
Noch immer sind Angehörige der Bundeswehr im Norden Afghanistans stationiert, befinden sich mitten in Gebieten mit steten Kämpfen und Anschlägen radikal fundamentalistischer Gruppen auf die Soldaten dieser internationalen Schutztruppe.
Seit dem Beginn der Mission bis heute wurden über 50 deutsche Soldaten getötet und über 300 verwundet. Verwundet im Sinne dieser Statistik heißt, dass sie körperliche Schäden von ihrem Einsatz getragen haben.
Aber, viel mehr als diese 300 Verwundeten tragen Schäden von diesem Einsatz in einem Gebiet, in dem Terror, Tod, Hass und ideologische und religiöse Verblendung an der Tagesordnung sind.
Viele der Heimkehrer aus diesem Kriegsgebiet, augenscheinlich unversehrt und gesund, erlitten während der Dauer ihres Einsatzes Verwundungen, welche nicht offensichtlich sind - Verwundungen der Seele, des Gemütes , der Psyche. Und - sie sind von dem Einsatz und seinen Begleitumständen traumatisiert, verstört oder für immer gebrochen.
Auch sie, deren Zahl nur geschätzt werden kann und die Dunkelziffer hierbei enorm hoch anzusiedeln ist, sind Opfer dieses Krieges, sind Verwundete aus dem Kampf und seiner Begleitumstände.
Bei jedem getöteten oder verwundeten Soldaten der Bundeswehr trauern die Ehefrauen, die Mütter, die Kinder, ganze Familien und auch ganze Dörfer und Gemeinden.
Diese Trauer findet sich aber auch bei allen anderen Angehörigen der Gefallenen und Verwundeten aller am Feldzug gegen den Terror beteiligten Armeen und Streitkräften.
Und - nicht zu vergessen auch die Zivilbevölkerung, welche gleich doppelt Leid ertragen musste und muss. Zuerst durch das Regime der Taliban, dann durch den Einsatz der NATO gegen dieses Regime und nun auch noch nach dem eigentlichen Feldzug. Jetzt, da die Aktionen der radikalen Fundamentalisten gegen die Schutztruppen auch vor der eigenen Bevölkerung nicht Halt machen und den Wiederaufbau immer wieder zu stören versuchen.
Durch Bombenanschläge, Selbstmordattentate oder Heckenschützen - was kümmert es, wenn neben einem oder zwei Soldaten auch mehrere Zivilisten ums Leben kommen - Krieg fordert eben Opfer wenn Aggressoren ihr Ziel erreichen wollen.
Wenn man dies alles betrachtet, so müssten die Eingangs zitierten Worte Reinhard Führers eigentlich jeden überzeugen der sie hört: "Der Volkstrauertag ist ein sehr aktueller Gedenktag, den wir alle brauchen!"
Während ich mir in den vergangenen Tagen Gedanken über die Aktualität dieses Volkstrauertages gemacht habe und die letzten 10 Jahre Afghanistan hierbei als aktuellen Bezug genommen habe, erinnern in den Veröffentlichungen der Tagespresse in den letzten Wochen zahlreiche Berichte auch wieder an die Gräuel und Verbrechen in unserem vor mehr als 70 Jahren.
Sie erinnern an die brennenden Synagogen, an die Verfolgung und Ermordung von Menschen die anderer Religion, anderen Glaubens oder anderer Ansichten waren und beispielhaft hierbei - wie kürzlich wieder zu lesen war - an die stattgefundenen Deportationen badischer Juden nach Gurs und deren Ermordung - Menschen, auch hier aus unserer Nachbarschaft.
Ich bin überzeugt, Reinhard Führer hat recht wenn er sagt : "Der Volkstrauertag ist ein sehr aktueller Gedenktag, den wir brauchen. Er schützt vor dem Vergessen und Verdrängen. Er mahnt uns, aus den Schreckensbildern der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen. Gegen Krieg und Gewalt - für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit - das ist seine Losung!
Am Volkstrauertag bekennen wir uns zum Wert des Lebens!"
Bekennen auch wir uns zum Wert des Lebens, indem wir uns und unsere Mitmenschen daran und an die erinnern, die in den Kriegen, Kämpfen und Auseinandersetzungen in den vergangenen Jahrzehnten und Epochen - wie auch aktuell in den jüngsten Jahren - getötet, verstümmelt, verwundet oder vertrieben
worden sind.
Bekennen wir uns zum Wert des Lebens, indem wir das Los der Opfer nicht verdrängen und nicht vergessen, sondern daraus lernen wollen.
Bekennen wir uns aber auch zum Wert des Lebens, indem wir nicht auf Rache, Vergeltung oder Genugtuung sinnen, sondern einsehen, das gerade diese Gefühle und Regungen Auslöser oder Grund für weiteres Leid auf dieser Welt, zwischen Nationen, Rassen, Religionen oder Lebensanschauungen sein können.
Bekennen wir uns zum Wert des Lebens, indem wir uns stetig mahnen und erinnern, unserer Generation und den kommenden Frieden zu schaffen, zu mehren und zu bewahren.
Ich lade Sie nun ein zu einem stillen Gebet und dem gemeinsamen Niederlegen des Kranzes - Möge das Grün der Zweige ein Zeichen für die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden sein.
 

 

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