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vom 22.10.2022
 
Kinderbetreuung muss heruntergefahren werden
Betreuungsbedarf und Fachkräftemangel in Sinzheimer Kitas / Situation „relativ dramatisch“/ Hoffnung auf Azubis
 
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Gebäude (wie hier der Kindergarten in Leiberstung) und Plätze sind da, aber kaum Personal: Die Stabsgemeinde hat zunehmend Probleme, Fachpersonal zu bekommen. Foto: Christina Nickweiler
 
Von Christina Nickweiler
Sinzheim – Der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen begleitet die Stabsgemeinde schon seit Jahren. Zwar versucht die Gemeinde, mit baulichen Erweiterungen dem Bedarf nach zusätzlichen Gruppen nachzukommen, doch erstmals droht der Gemeinde, dass zwar Räume da sind, aber wegen fehlender Erzieher nicht genutzt werden können.
 
Dieses Szenario prognostizierte Annemarie Huck vom Hauptamt, als sie bei der jüngsten Gemeinderatssitzung am Mittwoch die jährliche Bedarfsplanung für die Kinderbetreuungsplätze in der Gemeinde vorstellte. Neben anderen Kriterien nannte Huck die wachsende Einwohnerzahl durch Schaffung neuer Baugebiete als heranzuziehender Parameter für die Prognose. Mit der Baumaßnahme etwa im Obergeschoss des Kindergarten St. Vinzenz im Hauptort und der Installation einer weiteren Gruppe, könnte man meinen, dass die Situation relativ gut wäre, „wenn nicht das Personalproblem auf uns zukommen würde“, meinte Huck.
 
„Mir ist es fern, Panik zu verbreiten, aber es ist doch relativ dramatisch, was die personelle Besetzung angeht. Es ist momentan einfach kein Fachpersonal zu bekommen“, sagte Huck. So seien im Kindergarten St. Vinzenz derzeit drei Stellen unbesetzt. Das führe dazu, dass die Kleinkindergruppe im Kinderhaus überhaupt nicht betrieben werden könne und weiter, dass „unsere Baumaßnahme den Platz schafft, aber leider kein Betrieb möglich ist, weil das Kinderhaus kein Personal hat“, betonte Huck.
 
Mindestens vier Gruppen fehlen
 
Sie gehe davon aus, dass in den nächsten Monaten Gruppen früher schließen müssten oder eine Gruppe gar nicht mehr in Betrieb sein werde. „Mit diesem Gedanken müssen wir uns alle in nächster Zeit anfreunden. Ausschreibungen ist eine Sache, aber es kommen einfach keine Bewerbungen“, unterstrich sie.
 
Huck wies darauf hin, dass im kommenden Jahr Auszubildende übernommen würden, aber diese Zeit gelte es, zu überbrücken. Sie beendete ihre Ausführungen mit der Feststellung, dass mindestens zwei Gruppen für Kinder über drei Jahre und ebenso zwei Gruppen für Kinder unter drei Jahren fehlten. Bürgermeister Erik Ernst kündigte an, verstärkt nach Auszubildenden für den Erzieherberuf suchen zu wollen.
 
Gemeinderätin Angelika Schlageter (Grüne) forderte vor dem Hintergrund fehlender Kinderbetreuungsplätze und die Bedeutung einer intakten Vorschulkinderbetreuung auf die stetig wachsende Einwohnerzahl der Gemeinde ein Umdenken. Sie nannte etliche neu entstehende Baugebiete in den nächsten Jahren. „Wenn ich mir das so überlege, das werden wir so nie hinkriegen. Wir können doch nicht immer weiter Baugebiete auf den Weg bringen, ohne dass die nötigen Kindergartenplätze bereitstehen“, sagte sie. Bürgermeister Ernst sprach von einem ständigen Balanceakt und erwähnte die von den Kommunalverbänden in Krisenzeiten anzuwendende „flexible Gruppengröße“.
 
Martina Hurst (GfS) meinte, wenn die Gruppenstärke vergrößert werden solle, wäre das ein weiterer Grund, Fachkräfte abzuschrecken. „Das Problem der Arbeitsbedingungen ist jetzt schon aktuell“, sagte Hurst. „Wir haben keine Krisensituation, weil wir dem Bedarf immer hinterherkommen“, hielt Gemeinderat Kurt Rohner (FDP) dagegen. Gabriel Schlindwein (CDU) sieht hinter dem Personalmangel gemäß den Erfahrungen von langjährigen Erzieherinnen einen tiefergehenden Grund. Das Arbeitsumfeld von Erziehern habe sich gewaltig verändert, da komme man mit finanziellen Anreizen nicht weiter. Die Kinder hätten sich verändert. „War früher ein Kind in einer Gruppe von 20 auffällig, sind es heute fünf verhaltensauffällige Kinder. Ich möchte keine Elternschimpfe betreiben, aber den Kindern mangelt es an den einfachsten Anstandsregeln. Das ist meiner Meinung nach das Hauptproblem, das ist leider so.“