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vom 12.4.2003
 
Diskussion um Sinzheimer Ortsteil Leiberstung: "Machtkampf in der CDU" / Ortsvorsteher verlässt Sitzung des Gemeinderates
Naber kämpft lautstark um Ortsverwaltung
 
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"Wir lösen uns erst auf, wenn die Bürger das wollen": Alexander Naber. Foto: Adam/Archiv
 
Sinzheim (so) - Der geplante Umzug der Leiberstunger Ortsverwaltung in den alten Bürgersaal (wir berichteten) entfachte die seit langem im Untergrund schwelende Diskussion über Sinn und Zweck der Ortsverwaltung aufs Neue. Und das derart heftig, dass Ortsvorsteher Alexander Naber (CDU) wutentbrannt den nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung verließ.
 
"Ich möchte von der Verwaltung schriftlich, dass der Umzug der Ortsverwaltung über die Bühne geht", sagte Naber dem BT. "Und solange dieser Beschluss nicht vorliegt, werde ich laufen lassen, was läuft. Alles andere interessiert mich nicht", kündigte Naber eine deutliche Reduzierung seines Engagements an. Hintergrund für den Eklat war die Entscheidung des Gemeinderates für den Ausbau des Bürgersaals, die mit 13 Ja-, fünf Nein-Stimmen und acht Enthaltungen ausging. Irrtümlicherweise wurden zunächst die Enthaltungen zu den Nein-Stimmen hinzugerechnet. Damit hätte Stimmengleichheit geherrscht - und der Antrag wäre abgelehnt gewesen. "Schon seit 1975 sind die Enthaltungen immer gegen den Verwaltungsvorschlag gerechnet worden", gab Naber zu bedenken, der dem positiven Beschluss trotz Bestätigung seitens der Verwaltung nicht traut. "Damit wären dann etliche Abstimmungen im Sinzheimer Gemeinderat falsch", so der Ortsvorsteher.
 
Die Taktik, die gefahren wird, ist klar: "Wenn ihr euch nicht auflöst, blockieren wir euch", wertete Naber die Stimmverteilung. Naber, der seit 1994 als Ortschaftsrat in Leiberstung tätig ist und seit 1999 das Amt des Ortsvorstehers ausübt, sieht sich seit Beginn seiner Amtszeit Angriffen ausgesetzt. Er wurde nur mit einer Stimme Mehrheit gewählt - und das, obwohl allein die CDU schon Stimmmehrheit besitzt und er wisse, "dass auch Mitglieder anderer Parteien für mich stimmten".
 
Tatsächlich bläst dem Leiberstunger Ortsvorsteher aus den eigenen Reihen heftiger Wind ins Gesicht. So sagte Nabers Fraktionskollege Johannes Hurst in aller Deutlichkeit: Wir brauchen keinen Ortschaftsrat in Leiberstung. Die Entscheidungen werden ohnehin im Gemeinderat gefällt." Als Gründe führt Hurst die Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Sinzheimer Teilorten an, die teilweise größer sind.
 
Auch Christel Lamprecht (CDU) gab zu bedenken, "dass man wegen zwei Leuten, die pro Woche in die Sprechstunde ins Rathaus kommen, keine eigene Ortsverwaltung braucht". Vor allem prangerte Lamprecht an, dass der Ausbau des alten Bürgersaales schon einen Tag: nachdem der Ortschaftsrat Leiberstung öffentlich beschlossen hatte, dass er weiter bestehen werde, mit Planungen auf dem Tisch liege. "Da wurde der zweite Schritt vor dem ersten getan", so Lamprecht.
 
CDU-Sprecher Siegfried Fäßler indes sieht die Diskussion um den Fortbestand der Ortsverwaltung als viel zu emotional an. Und damit steht er nicht allein da. Auch Isolde Leder (SPD) wertet die Diskussion als "Machtkämpfe innerhalb der CDU". Naber sieht als Ursache für die Diskussion "puren Neid": "Wir haben eine Bilanz, die wir vorweisen können - und viele Kritiker sind sauer, weil sie selbst nichts vorzuweisen haben. Hinter der Abschaffungs-Diskussion steckt die Profilneurose einiger weniger", so Naber. Da kann auch die Meinung des Grünen-Gemeinderates Matthias Schmälzle nicht trösten, der die Arbeit der Leiberstunger Ortsverwaltung sogar als sehr sinnvoll ansieht.
 
"Wir lösen uns erst auf, wenn die Bürger uns nicht mehr wollen", kündigte Naber kämpferisch an. Vielleicht könnte dies mit einer Befragung der Leiberstunger Bürger herausgefunden werden, regte Leder an. "Auch wenn es so im Eingemeindungsvertrag steht, kann es doch nicht Wille des Gesetzgebers sein, dass der Ortschaftsrat sich nur selbst auflösen kann", stellte FWV-Fraktionsvorsitzender Kurt Wolf fest. Er regte deshalb an, die Situation rechtlich prüfen zu lassen - in aller Unverbindlichkeit. Nicht ganz so weit geht Renée Huber (FWV): "Man muss modern denken. Und zeitgemäß ist die strikte Beibehaltung einer Ortsverwaltung nicht mehr."
 
"Trotz aller Diskussionen muss man die Entscheidung der Leiberstunger Ortschaftsräte, dass sie weiter bestehen wollen, akzeptieren", reduzierte Fäßler den Streit auf die rechtliche Position. Schließlich habe niemand verlangt, dass die Ortsverwaltung sofort verschwinden solle, lediglich für die Zukunft solle eine Entscheidung getroffen werden. "Und zwar eine Entscheidung, die zeitgemäß und von allen mitzutragen ist", hieß es.
 
Kommentar
 
Rundumschlag statt sachliche Argumentation
VON BT-REDAKTEUR MICHAEL BRENNER
 
Landesweit gibt es Bestrebungen. die Verwaltungsstrukturen der Kommunen zu verschlanken und mithin effektiver zu gestalten. Im Rebland etwa ist die Zusammenlegung von Ortschaftsräten und Ortsverwaltungen längst beschlosen und wird möglicherweise schon 2004 umgesetzt. Dass nun in Sinzheim Kommunalpolitiker anregen. die Ortsverwaltung Leiberstung auf den Prüfstand zu stellen, kann deshalb nicht verwundern — und schon gar nicht als Affront gegenüber den Leiberstungern gewertet werden. Was sich in Sinzheim abspielt. hat indes mit der Sache an sich nur noch am Rande zu tun. Hier geht es wohl um Eitelkeiten und Machterhalt. Ortsvorsteher Alexander Naber dürfte mit seinen deftigen Äußerungen die Schar seiner Gegner weiter gemehrt haben. Statt seine Argumente für die Beibehaltung des Status quo in aller Ruhe vorzutragen und sachlich um Unterstützung zu werben, schlägt er wild um sich. Die Sitzung des Gemeinderates zu verlassen war zwar nicht elegant, doch ist solch eine Reaktion in einem Augenblick emotionaler Wallung immerhin verständlich. Dass er jedoch der FWV unterstellt, sie treibe die Auflösung der Ortsverwaltung nur voran, weil ihr Bewerber bei der Wahl vor drei Jahren unterlag, ist eine Entgleisung. Und mit der Ankündigung, er werde sein ehrenamtliches Engagement nun reduzieren, spricht sich Naber bei Lichte betrachtet die Eignung für den Posten des Ortsvorstehers ab. Dieses Amt nämlich soll zum Wohle der Bürger ausgeübt werden — und nicht dem Wohlbefinden des Inhabers dienen. Eine Trotzreaktion nach dem Motto: „Wenn ihr mich nicht machen lasst, wie ich will, dann mache ich gar nichts mehr“ ist für einen engagierten Ortsvorsteher unangemessen.