abblogok vom 6.12.2005
 
Pilotprojekt "Ökokonto" weckt große Hoffnungen
Landkreis und Kieswerk Leiberstung wollen Rohstoffabbau und Naturschutz unter einen Hut bringen
 

abb061205LANDESWEIT ERSTES PRIVATES ÖKOKONTO: Landrat Jürgen Bäuerle (links) und Kieswerks-Geschäftsführer Dr. Martin Kern bei der Vertragsunter- zeichnung.
Im Hintergrund von links: Bürgermeister Hans Metzner (Sinzheim), Minister Peter Hauk, Verbandspräsident Hans-Martin Peter. Foto: kpm

Von unserem Redaktionsmitglied Klaus-Peter Maier
Sinzheim-Leiberstung. Rohstoffsicherung und Naturschutz partnerschaftlich unter einen Hut zu bringen, dieses ehrgeizige Ziel haben sich das Landratsamt Rastatt und das Kieswerk Leiberstung gesetzt. Landrat Jürgen Bäuerle und Kieswerks- Geschäftsführer Dr. Martin Kern unterzeichneten gestern einen entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vertrag. Im Beisein von Landwirtschafts- minister Peter Hauk hoben sie damit das erste private Ökokonto im Land Baden-Württemberg aus der Taufe (siehe auch Südwestecho).
 
"Wir sind stolz, dass dieses Pilotprojekt im Landkreis Rastatt angegangen wird", sagte Jürgen Bäuerle. Die jetzt vertraglich besiegelte Partnerschaft zwischen dem Landratsamt Rastatt und dem privaten Unternehmen zeige auf, dass Naturschutz und Kiesabbau keine Gegensätze sein müssten.
 
Hintergrund des Vertrages ist der Umstand, dass mit dem Kieswerk in Leiberstung ein Abbauunternehmen vorhanden ist, in dessen Umkreis sich weitere Flächen anschließen, die laut Regionalplan Vorrang für die Nutzung als Robstoffabbaugebiet haben und für eine Erweiterung des Werkes geeignet sind. Gleichzeitig gibt es jedoch eine große Anzahl an Biotopen, die in potenziellen Abbaubereichen liegen, zum Teil im FFH-Gebiet "Bruch" bei Bühl und Baden-Baden. Hier ist eine Erweiterung des Kiesabbaus naturschutzrechtlich nur möglich, wenn für einen Ausgleich gesorgt wird. Die Führung eines Ökokontos (siehe Stichwort) erlaubt schon heute, solche Ausgleichs- maßnahmen in Angriff zu nehmen.
 
"Wir brauche beides: Rohstoffe und eine nachhaltig geschützte Landschaft", bekräftigte der Landrat und bezeichnete es als "große Herausforderung und Pionier-Fähigkeit", dass nun neue Wege erprobt werden, um den Zielkonflikt zwischen Rohstoffsicherung und Erhaltung des Naturhaushaltes zu entschärfen.
 
Der Vertrag gebe einerseits dem Kiesunternehmen Rechtssicherheit darüber, dass bereits im Vorfeld einer Erweiterung getroffene Ausgleichsmaßnahmen von der Unteren Naturschutzbehörde auch anerkannt würden, andererseits habe die Kreisbehörde die Gewähr, dass notwendige Landschaftseingriffe bereits weitgehend kompensiert seien, wenn der Abbau beginne. Das private Ökokonto könnte durchaus ein Beispiel geben auch für Betriebe anderer Branchen, meinte Bäuerle.
 
Die Sicherung der Rohstoffversorgung, der Arbeitsplätze und des Betriebes - das sind laut Geschäftsführer Martin Kern die drei Ziele, die das Kieswerk verfolgt. Das seit den 70er-Jahren in Leiberstung ansässige Unternehmen das jährlich 350 000 Tonnen Kies abbaut und dessen Konzession 2015 abläuft, will mit dem jetzigen Pilotprojekt die Weichen für die weitere Zukunft stellen - für die Zeit, wenn eine Erweiterung des Kiesabbaus konkret ins Auge gefasst wird. "Wir brauchen aus unternehmerischer Sicht Planungssicherheit", sagte Kern und hofft, "dass es gelingt, das Instrumentarium Ökokonto mit Leben zu erfüllen."
 
Beispiele aus der Vergangenheit zeigten, das ein konstruktiver und kooperativer Umgang zwischen Ökonomie und Ökologie möglich sei, wenn beide Seiten offen und ehrlich miteinander umgingen, betonte Hans-Martin Peter. Der Präsident des Industrieverbandes Steine und Erden sieht für das Projekt gute Erfolgsaussichten, nutzte die Vertragsunterzeichnung aber auch, um Minister Hauk kritisch auf die "Olympiade der Unterschutzstellungen" hinzuweisen, die ungebremst weitergehe. Peter: "Das Land kann nicht nur vom Naturschutz und vom Tourismus leben."
 
Demgegenüber sprach Martin Klatt vom Umweltzentrum Rastatt von einer "Olympiade der Naturbelastungen" und monierte, dass bisherige Eingriff-Ausgleich-Bilanzen gescheitert seien. Das Ökokonto sei indes ein möglicher Weg. Mit kritische Augen verfolgen will der Rheinmünsteraner Bürgermeister Helmut Pautler den weiteren Kiesabbau. Zwar sehe er den Zielkonflikt, jedoch dürften für die Bevölkerung seiner Gemeinde keine Beeinträchtigungen entstehen, so Pautler gegenüber dieser Zeitung mit Blick auf einen möglichen Kiestransport von Leiberstung in Richtung Grefferner Hafen.
 
Stichwort
Privates Ökokonto
 
Mit dem privaten Ökokonto im Außenbereich betreten das Land Baden-Württemberg, der Industrieverband Steine und Erden e.V. und das Kieswerk Leiberstung Neuland. Möglich wird dies durch die Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes, die am 1. Januar 2006 in Kraft tritt.
 
Bislang konnte dieses Instrument einer vorausschauenden Landschaftsentwicklungspolitik nur von Kommunen genutzt werden. Ziel des Ökokontos des Kieswerkes in Leiberstung ist es, bereits jetzt Ausgleichsflächen herzustellen, um bei einer künftigen Geländeinanspruchnahme für den Kiesabbau Eingriffe in schützenwerte Gebiete kompensieren zu können.
 
Der Eingriff in Landschaft und Naturhaushalt ist also im günstigsten Falle bereits ausgeglichen, wenn er erfolgt. Bisher wurden Ausgleichsmaßnahmen erst im Nachhinein vorgenommen. Dann konnte es Jahre dauern, bis sich der erwünschte ökologische Wert einstellte.
 
Gleichzeitig soll das Ökokonto helfen, Kiesabbau in einem FFH-Gebiet (Flora Fauna Habitat) zu ermöglichen. Dazu ist ein Ausgleich, sprich die Schaffung eines neuen Lebensraumes für Tiere und Pflanzen notwendig. Dafür gibt es so genannte Ökopunkte, die gutgeschrieben werden. Red