btlogokVom 17.8.2006

bt170806aVolles Haus - und das in den Betriebsferien: Bürgerversammiung am Dienstagabend im Schiftunger "Strauß". Fotos: G. Hammes
 
"Interessengemeinschaft gegen das Fahrsicherheitszentrum" gegründet / Konto für Anwalts- und Gutachterhonorare eingerichtet
"Den Boden unter den Füßen wegziehen"
 

bt170806b"Wir müssen und werden alle Register ziehen": Bürgermeister Hans Metzner, Rechtsanwalt Melchinger und Franz Lorenz, der "Vater des Widerstands" (von links).

VON GEROLD HAMMES
Rheinmünster/Sinzheim -Der Widerstand gegen das LuK-Driving-Center im Baden-Airpark ist nun auch formal organisiert. Bei einer Bürgerversammlung am Dienstagabend im Sinzheimer Ortsteil Schiftung schlossen sich lärmgeplagte Anwohner zu einer "Interessengemeinschaft gegen das Fahrsicherheitszentrum" zusammen. Sie wird nun auch anwaltschaftlich gegen die Betreiber der Anlage vorgehen.
 
Von "Betriebsferien", wie ein Schild vor dem Gasthaus "Strauß" kündet, ist an diesem Abend nichts zu spüren. Matthias Gushurst, der Wirt des Lokals, hat für einen Tag seinen Urlaub unterbrochen. Zu wichtig ist ihm das Anliegen der Mitbürger, die schließlich jeden Stuhl seines Lokals besetzen.
 
Bürgermeister Hans Metzner gibt sich gleich in seinen Begrüßungsworten keinerlei Illusionen hin: "Das wird auf eine rechtliche Auseinandersetzung hinauslaufen." Und er zeigt sich kampfeslustig: "Wir müssen und werden alle Register ziehen - auch auf der politischen Schiene."
 
Auf den Tischen liegen Beitrittserklärungen und Überweisungsformulare aus, um den anwaltschaftlichen und gutachterlichen Beistand auch finanzieren zu können. Ein Konto ist bereits eingerichtet. Unter anderem heißt es in der Erklärung: "Ich bin gegen die Motorradfahrertrainings und ähnliche Veranstaltungen im LuK-DrivingCenter. Der davon ausgehende Lärm ist unerträglich gesundheitsschädlich und auf Dauer nicht hinnehmbar. Ich unterstütze Verfahren bei Behörden und Gerichten."
 
Der Anwalt der Gemeinde Sinzheim, Hansjörg Melchinger, rekapituliert kurz, wie es überhaupt zur Genehmigung des Fahrsicherheitszentrums kommen konnte: nämlich erst durch eine Änderung des Bebauungsplans im Zweckverband Gewerbepark mit Regionalflughafen. Schon damals, berichtet der Jurist, "war sichtbar, dass dies für den Rennsport genutzt werden könnte". Doch der Zweckverband habe "schärfere Restriktionen" abgelehnt. Die Technische Anleitung Lärm jedenfalls bringe nicht das, "was man an Schutz braucht".
 

bt170806cDer Schiftunger Jürgen Daub zeigt die ganze Bandbreite an Belastungen aus dem Airpark-Gelände auf.

Insofern könne über die Ergebnisse der Lärmmessungen der Fahrbetrieb, vermutlich nicht ausgehebelt werden. Als "Tagesmittelungspegel" würde die Zeit zwischen 6 und 22 Uhr zugrunde gelegt. Da an Sonntagen im Driving-Center zwischen 9 und 18 Uhr mit einer zweistündigen Pause gefahren werde. sei man mit dem erlaubten Schallpegel von 55 dB(A) "schnell im zulässigen Bereich".
 
Größere Chancen verspricht sich der Karlsruher Fachanwalt von einem lärmmedizinischen Gutachten. Zudem stünde die Betriebserlaubnis für eine "Übungs- und Teststrecke" im Widerspruch zum Alltagsbetrieb und zu Beobachtungen vor Ort, die bereits dokumentiert seien beziehungsweise noch werden. Solche "renn- und motorsportliche Veranstaltungen" gebe die Betriebsgenehmigung jedenfalls nicht her.
 
Der Gemeinde empfahl Melchinger, nicht in ein "gerichtliches Verfahren einzusteigen", da sie "keine Verletzung eigener Rechte" geltend machen könne. Stattdessen solle sie auf der "politischen Ebene" aktiv werden.
 
Eine weitere juristische Variante zeigte Melchinger mit einer Normenkontrollklage gegen den geänderten Bebauungsplan auf. Damit, so der Jurist, "kann man den Betreibern den Boden unter den Füßen wegziehen".
 
Bürgermeister Hans Metzner schlug vor, dass zwei bis drei betroffene Bürger den Klageweg bestreiten sollten und die Kosten hierfür die Interessengemeinschaft übernehme. "Die persönliche Betroffenheit muss im Verfahren auf den Tisch", begründete er diese Vorgehensweise. Die Gemeinde sei dabei stets auf der Seite ihrer Bürger: nicht nur moralisch, sondern auch finanziell, beispielsweise bei der Übernahme von Gutachter-Honoraren.
 
Ein Zuhörer meint, dass es Aufgabe des Landratsamts sei, gegen die Betreiber des Fahrsicherheitszentrums vorzugehen. Schließlich habe die Behörde die Genehmigung erteilt und sei letztlich doch "arglistig getäuscht" worden.
 
Jetzt ist Franz Lorenz, nach eigenen Angaben "Vater des Widerstands". gefordert. Er schwört seine Mitbürger auf eine gemeinsame Linie ein: "Leut. wir müssen mit allen Mitteln dagegen vorgehen und das Geld investieren. Das ist unsere letzte Chance!"
 
Umgehend fragt ein Bürger in die Runde: "Also Wer macht mit? Hände hoch!" Fast alle im Saal heben die Hand.
 
SPRUCHREIF
 
Der Betreiber hat mit Zahlen jongliert und die Gemeinden sowie das Landratsamt hinter's Licht geführt.
 
Ich kam nach Hause und habe gedacht: Ich bin bei der Formel 1. Hier liegt eine arglistige Täuschung vor, und wir Bürger sollen jetzt die Suppe auslöffeln.
 
An Fronleichnam haben wir im Luftwaffenmuseum das eigene Wort nicht mehr verstanden. Besucher bekamen Kopfweh und haben es umgehend wieder verlassen. Die Sache ist total aus dem Ruder gelaufen. Ein einziges Trauerspiel. Wo ist da eigentlich der Umweltschutz geblieben?
 
Wir haben in Schiftung gebaut und viel Geld investiert. Es ist traurig, dass man jetzt auch noch sein sauer verdientes Geld für einen Prozess ausgeben soll.
 
Es ist unerklärlich, wie die Untere Naturschutzbehörde für ein solches privates, kommerzielles Projekt seine Zustimmung geben konnte. Das Landratsamt ist für gesetzmäßige Zustände verantwortlich.
So etwas hätte überhaupt nicht zugelassen werden dürfen.
 
Das Recht des Betreibers endet dort, wo die Rechte der Menschen beginnen, die hier leben. Dafür müssen wir streiten.
 
An Wochenenden sollten Inlineskater das LuK-DrivingCenter abfahren. Dann hätten wir Ruhe.
 
Weshalb soll der Bürger Geld für Anwalt und Gutachter ausgeben gegen ein Projekt, das er nicht gewollt hat und für das er nichts kann?
 
Das Landratsamt ist verpflichtet, die Interessen der betroffenen Bürger zu vertreten. Dazu ist die Behörde da. (Allesamt Stimmen betroffener Bürger)
 
Ich habe keine so große Meinung von Behörden wie Sie. (Rechtsanwalt Hansjörg Melchinger)
 
So ein Fahrsicherheitszentrum ist eine sehr lukrative Geschichte. (Melchinger)
 
Ich befürchte eine Mehrzahl an gerichtlichen Auseinandersetzungen. (Melchinger)
 
Wir sollten Flagge zeigen und zusammenstehen. Hier kann man nur in der Solidargemeinschaft antworten. (Bürgermeister Hans Metzner)