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vom 24. Mai 2003

Nachwuchs für "Meister Adebar" in Leiberstung
Vier junge Schnäbel schnappen nach dem Futter
Neues Storchennest auf einem eigens installierten Mast bei Wendelinushalle schnell angenommen
 
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BEI DER WENDELINUSHALLE steht der Leiberstunger "Storchenmast". Das in der Nähe gelegene Biotop machte den Störchen den Umzug vom Rathaus an den Ortsrand leicht. Fotos: Karlheinz Röll
 
Sinzheim-Leiberstung. Als Josef Günther aus luftiger Höhe Paul Frietsch zuruft, was er gerade entdeckt hat, glimmt ein Leuchten auf in den Augen des Leiberstunger "Storchenvaters". Für einige Sekunden ist er elektrisiert, so freudig ist die Botschaft: "Drei Junge sind schon geschlüpft, ein Ei wird noch ausgebrütet." Jetzt weiß Frietsch endgültig, dass das Leiberstunger Storchenpaar sein neues Nest auf einem Mitte März eigens installierten Mast bei der Wendelinushalle angenommen hat. Vergessen ist die alte Heimat auf dem vor dem Abbruch stehenden Rathaus.
 
Überrascht hat es Frietsch schon, wie schnell die beiden Störche auf das Umzugsangebot eingegangen sind. "Es verging kaum eine Woche, da waren sie oben", berichtet der ehemalige Ortsvorsteher. Und er kennt die Gründe: Einen Flügelschlag vom neuen Nest entfernt findet sich ein Biotop, hier hat Frietsch die Tiere angefüttert. Die Gegend war den Störchen von denen einer aus einer Schweizer Aufzucht, einer aus Freiburg stammt, schon bekannt; jede Woche schritten sie dort einher auf der Suche nach Nahrung. Sie liegt ein wenig abseits, ruhig, und für Frietsch bietet sich der nahe, ein wenig höher gelegene Friedhof als Beobachtungsposten an.
 
Dennoch hatte Frietsch den schnellen Erfolg nicht erwartet. "Es war wohl auch ein Glücksfall, dass der Storch die Partnerin gewechselt hat", glaubt Frietsch. Es habe in der Leiberstunger Storchenehe zuletzt nicht mehr so richtig gepasst. "Sie" sei ein paar Mal ausgebüxt, vermutlich in Richtung Straßburg. Ungewöhnlich sind solche Ausflüge nicht. "Wenn die Jungstörche weg waren, ist die Störchin öfter mal verschwunden. Einmal kam eine Karte aus Straßburg. wo die Störchin anhand des Ringes identifiziert worden war."
 
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DAS LEIBERSTUNGER STORCHENPAAR hat sich in seinem neuen Nest schnell eingelebt. Jetzt ist der "Klapperstorch" gekommen: Vier Junge müssen gefüttert werden
 
 
Überhaupt ist eine veränderte Zusammensetzung im Storchennest für Frietsch keine neue Erfahrung. Wechsel gab es schon oft, seit Frietsch 1985 in Leiberstung die Wiederansiedlung des Weißstorchs begann, damals noch auf seinem Hof. Unterstützt von der Sparkasse Bühl, die bis heute die Winterfütterung finanziert, kümmert sich der Landwirt seither um den Stelzvogel. In einem dicken Ordner hat Frietsch alles festgehalten und gesammelt. Gerade in den Anfangsjahren gab es schwierige Momente. Gleich im ersten Jahr starb ein Storch an einer Trafostation. Zwei Jahre später erwischte es an einem Tag gleich Storchenmann und Storchenfrau. "Einer kam morgens um, der andere abends", erinnert sich Frietsch. Der Stromtod raffte das "beste Paar hin, das wir je hatten", sagt er: "An denen hätte sich manch Ehepaar bei den Menschen ein Beispiel nehmen können. Sie hatten vier Junge und kümmerten sich vorbildlich um sie. Auf dem Hof fühlten sie sich zu Hause." So war ihr Tod auch für Paul Frietsch ein persönlicher Verlust. Die Elektrizität hatte einst die Storchen-Geschichte in Leiberstung für lange Zeit beendet. Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre erlitt der bis dahin letzte Storch des Orts den Stromtod.
 
Nicht nur der Strom kann Störchen zum Verhängnis werden. 1991 wurde ein Storch, der sich von Leiberstung aus in den Süden aufgemacht hatte, in Mali abgeschossen. 1992 einer in Mauretanien tot gefunden. Meistens sind es die Jungtiere, die es im Winter in die Ferne und damit wohl auch in die Gefahr zieht. "Die Jungen fliegen, die Aufzuchtstörche bleiben", sagt Josef Günther, der in Moos die Störche betreut.
 
Und dann sind da noch die "Mörderstörche". Frietschs Vater hat das Wort geprägt. Es gebe gelegentlich Kämpfe zwischen Störchen, ausgehend mitunter von solchen, die keinen Anschluss mehr finden. Dann beginnt ein Kampf ums Nest. Am Vatertag des vergangenen Jahres etwa schmissen Störche in Leiberstung alles aus dem Nest. Anfang der 90er beobachtete Frietsch über Monate ein Dreiecksverhältnis in der Storchenwelt. Im folgenden Frühjahr löste es einer der Störche auf seine Art auf, indem er den Konkurrenten tot "pickte".
 
Doch ist das glücklicherweise nicht die Regel. 1989 bezogen "Storchs" das Leiberstunger Rathausnest. Das war in Leiberstung gewollt, und doch war es jetzt ein Zufall, denn es waren nicht die Hofstörche, sondern "Zugezogene". Jährlich kam zum Storch der "Klapperstorch". Vier Junge wurden schon in einem Jahr durchgebracht, die Regel sind mindestens zwei pro Jahr - ohne Zufütterung, wie Frietsch anmerkt. Nur im ersten Jahr der Leiberstunger Storch-Renaissance musste der Nachwuchs von Meister Adebar aufgepäppelt werden.
 
Wieder ist die Rede vom Glücksfall. Die Gräben beim Rückhaltebecken am Abtsmoor, das Sumpfgebiet im Abtsmoor - die Störche finden stets Nahrung. So ist Leiberstung eine ideale Storchenheimat. Josef Günther sieht das genauso und verweist auf schwierigere Bedingungen andernorts: "In Moos geht es ohne Fütterung nicht." Leiberstung aber bietet einen gedeckten Tisch. Dass aber ständig Frösche serviert würden, ist eine Fabel. "Davon allein lebt ein Storch nicht", schmunzelt Frietsch, der auch schon Fischgräten im Storchennest gefunden hat.
 
Nun ist Papa Storch auf der Suche nach Nahrung für seine vier Kinder. In einigen Monaten wird sich der Nachwuchs dann davonmachen, die Leiberstunger Kinderstube verlassen.
 

Stichwort Storchenansiedlung

Die Zahl der Störche ist in den vergangenen Jahren wieder deutlich gestiegen. In den 60er Jahren galt der Storch ("Ciconia ciconia") durch Lebensraumzerstörung im Südwesten als nahezu ausgestorben. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten zwischen Main und Bodensee mehrere tausend Tiere gelebt.
1987 aber waren nur noch 34 Paare registriert worden. Seither zeigt die Kurve nach oben. Im vergangenen Jahr waren es in Baden-Württemberg wieder 235 Storchenpaare. Selbst in Großstädten, wie etwa im elsässischen Straßburg taucht der Storch auf und landet mitten in der Stadt. In der Roten Liste der gefährdeten Brutvögel wird der "Vogel des Jahres 1994" aber immer noch als stark gefährdet eingestuft.
Der Anstieg der Storchenbestände sei der Zufütterung und verbesserten Lebensbedingungen, etwa durch die Schaffung von Biotopen, zu verdanken, sagen Experten. So finden die Störche genügend Nahrung.
Keineswegs sind Frösche das Hauptgericht. Die Elternpaare konzentrieren sich bei der Futtersuche viel lieber auf Mäuse und Würmer, mit denen das Jungvolk besser zurechtkommt.